Die Alsdorfer „Backeser“

(recherchiert und aufgeschrieben von Erich Vierbuchen)

Das Backhaus, mundartlich Backes, so wie es früher an einigen Stellen in Alsdorf stand, hat es in unserer Heimat nicht immer gegeben. Erst als die dichter werdende Besiedelung die Feuergefahr vergrößerte, drängten die Landesherren darauf, die Backhäuser, die üblicherweise mit Stroh gedeckt waren, außerhalb der engen Wohnbereiche zu errichten. So sind diese etwa ab dem 16. Jahrhundert bei uns entstanden.

Es entstanden die „gemeinden Backeser“, d.h. jene, die genossenschaftlich organisiert waren und andere, die sich in Privatbesitz befanden. Noch im letzten Jahrhundert zählte die Gemeinde Alsdorf nicht weniger als acht Backhäuser, davon je vier genossenschaftlich und privat betrieben.

Die Genossenschafts-Backhäuser standen (die Jahreszahl gibt das Jahr des Abbruchs an):

  • Auf dem Hofacker, dort wo heute eine Brunnenanlage steht (1969)
  • In der Geishardt direkt an der Heller, hier standen zwei Backhäuser, die gegeneinander gebaut waren (1952)
  • Im Backesweg (1960-iger Jahre)

Private Backhäuser standen:

  • Beim Hüttenschulzenhaus (1970-iger Jahre)
  • Beim Haus Zöllner, später Wagner (?)
  • Beim Haus Bonn, unweit des früheren Sägewerksplatzes (?)
  • Beim Haus Bechheim in der Lindenstraße (steht noch heute)

Ihre ursprüngliche Lage lässt heute noch erkennen, dass sie außerhalb der Wohnbereiche und in der Regel an Wasserläufen angelegt waren. So konnte man beim Ausbruch eines Feuers schnell Wasser herbeischaffen, hatte dieses ebenso um den „Backeswösch“ zum Reinigen des Ofens nass zu machen und „dö Äsche ze dämpen“, d.h. um die glühende Asche nach ihrer Entfernung aus dem Ofen zu löschen, sowie zum „fröschen“, d.h. zum Bestreichen der Brotlaibe, damit sie schön glänzten.

Die Backesgebäude wurden in der Regel aus Bruchsteinen errichtet, sie waren teilweise verputzt. Die Eingangstür befand sich auf der Giebelseite. Sein Inneres bestand aus dem Vorraum und dem eigentlichen Backofen, der immer der Eingangstür gegenüber lag. Der kuppelförmige Ofen war zuletzt aus feuerfesten Steinen, nicht mehr aus Lehm, von Fachleuten aus dem Kannenbäckerland gemauert. Der Vorraum hatte eine Seitenöffnung, ca. 80cm * 80cm, die durch eine Holztür verschließbar war.

Die Achtung des Brotes, die unserer Überflussgesellschaft weitgehend verloren gegangen scheint, gehörte für unsere Vorfahren wohl zu den am tiefsten verwurzelten Anschauungen. Das Backen des Brotes war Sache der Frau. Schon die Herrichtung des Teiges, das Mengen, Kneten und Walken sowie die Formgebung der Laibe geschah mit viel Liebe. Leute Hantierungen durfte es dabei nicht geben. In den am Vorabend des Backtages im Backtrog eingemengten Teig wurde vielerorts mit dem Finger ein Kreuz eingezeichnet.

Es gab Einwohner, die die auf dem Backbrett in Reihe liegenden Teigbrote auf der Schubkarre zum Backes fuhren. Andere taten es nicht. „Brot ist heilige Gottesnahrung“, es ist Gottesgeschenk, aus Demut war seine Gabe zum Backhaus zu tragen. Noch heute sehe ich als Kind ältere Leute in diesem Geiste mit angewinkeltem rechtem Arm die Brote auf dem Backbrett auf der Schulter zum Backhaus tragen.

Bevor das Brot in den Ofen geschoben wurde, wurde es gekennzeichnet oder gesegnet. Zur Kennzeichnung wurde wieder das Zeichen des Kreuzes verwandt, ein bis drei Kreuze waren üblich. Üblich war aber auch die Zeichnung mit der Hausmarke, jenen alten Hauszeichen, die zur Markierung von Handwerkegeräten usw., sowie als Haubergszeichen Verwendung fanden. Als Segen wurde über dem Brot mit der Hand das Zeichen des Kreuzes gemacht. Das gebackene Brot wurde in einem tiefen Kellergewölbe aufbewahrt. Hier konnte es wochenlang aufbewahrt werden, ohne auszutrocknen oder hart zu werden. Angeschnitten wurde das Brot nicht, bevor es am Tisch gesegnet war, ein bis drei Kreuze mit dem Brotmesser auf der Rückseite des Brotes.

Es war eine große Sünde, Brot wegzuwerfen. Aus Brotresten wurde Brotsuppe gekocht, wenn es für den menschlichen Genuss ungeeignet geworden war, dem Vieh verfüttert. So wurde schon den Kindern die Ehrfurcht vor dem Brot anerzogen. Die Ehrfurcht unserer Vorfahren vor dem Brot hatte tiefe Wurzeln. Der aus Mehl hergestellte Brei, später das Brot, war die Hauptnahrung des mittelalterlichen Menschen. Missernten, Hungersnöte, Pest und Kriege ließen den auf Symbolik angelegten mittelalterlichen Menschen, der infolge solcher „Strafgerichte“ schnell zum Hungerleiden verdammt war, erkennen, dass Brot als etwas Besonderes, als eine Gottesgabe zu gelten hatte.

Im Jahre 1785 schrieben unsere Vorfahren in einer Hüttenangelegenheit an ihren damaligen Landesherrn, den Markgrafen von Ansbach. Sie kamen schließlich zu dem Schluss: „Ohne Brot ist kein Fortkommen“. Legen wir dieses Wort etwas weiter aus, denken wir nicht nur an das Erzeugnis Brot, sondern an unsere tägliche Arbeit, den „Broterwerb“, dann bekommt dieser Ausspruch von vor fast 250 Jahren, auch heute noch einen tiefen Sinn. „Ohne Arbeit ist kein Fortkommen!“ Wenn wir das bejahen, dann ist auch unsere Beziehung zum Brot eine tiefere, wenn sie auch nicht mehr von der Symbolsprache begleitet wird, wie sie noch von unseren Vorfahren gepflegt wurde.   

Die Backeser unserer Heimat sorgten nicht nur für Brot und Kuchen auf den Tischen. Sie hatten auch noch andere Funktionen.

Flachsbreche, damit wurde der rohe Flachs bearbeitet, um holzige Teile zu entfernen

Während der Flachsernte diente er zum Trocknen des Flachses. Nach der Herausnahme des Brotes aus dem Ofen wurden die armdicken Flachsbündel, Riste oder Reize genannt, im noch warmen Ofen getrocknet. Anschließend wurde der Flachs im Backes auf der Flachsbreche gebrochen, damit die holzigen Teile des Stängels abfielen, kleine Teile dann mit der Schwinge entfernt. Das Trocknen, Brechen und Schwingen des Flachses geschahen im Backes. 1817 verbot die preußische Regierung in Koblenz ausdrücklich das Trocknen in den Stubenöfen der Wohnhäuser oder in den Scheunen. Die Brandgefahr, die hiervon ausging, war zu groß. In diesen Jahren war der Flachsanbau in unseren Gemeinden noch beträchtlich. Das Flachsbrechen war Männerarbeit, wogegen das Schwingen von den Frauen besorgt wurde. Die Tage der Flachsbereitung, an dessen Ende das handgewebte Leinen stand, waren Festtage unserer Vorfahren. Es ging dabei nicht ohne frischen Zwetschgenkuchen ab, die Flachshost lag zeitlich zwischen Grummet- und Kartoffelernte. Auch ein Westerwälder Korn ließ die gemeinsame Arbeit bis tief in die Nacht munter fortschreiten. Nun sahen die Landesherren vergangener Tage das sogenannte „Nachhosten“ nicht gerne, sie verboten es sogar. 1714 sah sich der damalige Landesherr, der Herzog von Sachsen – Eisenach, genötigt, gegen die nächtlichen Zusammenkünfte seiner Untertanen etwas zu unternehmen. Die Ortsvorsteher sollten durch unvorhergesehene Visitationen und Anzeigen gegen die „Nachtbrechereien“ des Flachses vorgehen. Doch offenbar hielt sich niemand an das Verbot. Auch eine spätere Wiederholung schien die Ortsvorsteher nicht zu ermuntern, die bis in die Nacht währenden Zusammenkünfte ihrer Mitbürger, ein Teil des frohen Lebens, zu unterbinden.

So wie in Alsdorf ging es in vielen Gemeinden. Die Backhäuser als Treffpunkt unserer landwirtschaftlich orientierten Vorfahren wurden in den vergangenen Jahren häufig gedankenlos abgebrochen. Gott sei Dank hat hier ein Umdenken eingesetzt. Die Erkenntnis vom unwiederbringlichen Wert des Vergangenen wird den Menschen wieder mehr und mehr bewusst. So ist in unserer Gesellschaft eine verstärkte Rückbesinnung auf historische Werte spürbar. Neue Vereine der Heimat- und Umweltpflege haben es sich zur Aufgabe gemacht, erhaltenswerte Traditionen weiterzugeben. So sehen wir, dass die bäuerliche Kultur unserer Vorfahren, auch die Backhäuser, heute eine Renaissance erleben. Immer häufiger werden die wenigen noch vorhandenen unter Denkmalschutz gestellt. Glücklich die Gemeinde, die solch altes Gemäuer zum Ziel dörflicher Restaurierungsbestrebungen machen kann.