Kulturdenkmal Neu-Grünebacher Hütte
(recherchiert und aufgeschrieben von Erich Vierbuchen)
Vor mehr als 250 Jahren – in einer Zeit für neue Anwendungsgebiete für Eisen und Stahl- entstand im Oberamt Freusburg der Grafschaft Sayn-Altenkirchen die Neugrünebacher Hütte.
Gründer waren 50 Einheimische, deren Anteile aus 72 Hüttentagen bestanden. Die Besitzer – Gewerken genannt – durften die Hütte nach der Saynischen Hüttenordnung vom 21. April 1742 an 72 Tagen im Jahr betreiben.
Mit Rücksicht auf die Wasserverhältnisse war die Zeit so eingeteilt, dass sich Hütten- und Hammerwerke nicht gegenseitig das Wasser – also die Energie – wegnahmen und sich dadurch behinderten.
Die Betriebszeit war wie folgt einzuordnen:
Hüttenwerke: Beginn gleich nach Ostern bis 6 Wochen danach
Hammerwerke: Beginn Pfingsten bis Michaelis
Hüttenwerke: Michaelis bis Weihnachten
Hammerwerke: Weihnachten bis Fastnacht
Für einen Zentner Eisen benötigte man drei bis vier Zentner Holzkohle und für einen Zentner Holzkohle etwa fünf Zentner Holz. Welche Bedeutung das Wasser zu jener Zeit als Antriebskraft hatte, geht aus folgendem Spruch hervor: „ Ha mä keij Wasser, da trönken mer Wasser, Ha mä awwer Wasser, da trönken mer Wain.
Jeder Gewerke betrieb den Ofen während seiner Hüttenzeit auf eigene Rechnung. Das aus Stollen zu Tage geförderte Erz (um 1800 sind in den Oberämtern Friedewald und Freusburg 69 Eisenstein-Zechen in Betrieb) und die in Haubergen gewonnene Holzkohle brachte er mir seinen Fahrkühen zu seinem Lagerplatz. Eine saynische Eisenhütte erhielt dadurch das Ansehen einer kleinen schwarzen Kolonie.
Das Los bestimmt die Reihenfolge des Hüttens. Glockenschlag 12 um Mitternacht erfolgte der Wechsel. Dieses „Zeithütten“, die unterschiedlichen Erzqualitäten und nicht zuletzt durch Erbteilung auftretende Zersplitterung des Besitzes erschwerten diese Art des Hüttenbetriebes immer mehr. Aus Hüttentagen wurden Stück- (der Tag zu 4 Stück), Stunden-, ja sogar Minutenanteile.
Die Neuzustellungen, das brennstoffaufwändige Anblasen, sowie das unergiebige Ausblasen des Ofens wurden neben weiteren „Samttagen“ von allen Gewerken gemeinsam bestritten, die Leistung des Hüttenschulzen durch einen „Hüttenschulzentag“ abgegolten, wobei der Hüttenschulze Holzkohle und Erz selbst beísteuern musste. Sicher war die Form einer Gewerkschaft mit ihren starren Vorschriften und Sonderrechten nicht die zweckmäßigste für einen Hüttenbetrieb. Erst im Jahre 1805 trat eine Änderung ein, als mit landesherrschaftlicher Genehmigung der Ankauf der Erze für alle Gewerken gemeinsam durch den Hüttenschulzen vorgenommen wurde, an die Stelle des „Zeithüttens“ das „Gewichtshütten“ trat, wonach die Gesamtproduktion den Gewerken nach ihren Anteilen zufiel. Die Zeit war vorbei, wo sich jeder mit dem Hüttenschulzen gut stellen musste, damit er eine notwendige Reparatur nicht gerade in seine Hüttenzeit legte.
In der Summe der Geheimnisse um das Erschmelzen des Eisens und in den unerschöpflichen Erzvorräten lag der Wohlstand des Siegerlandes. Diese Geheimnisse galt es zu wahren. Nur Einheimische konnten daher Hüttenleute werden. Und es war streng verboten, die Kunst der Eisengewinnung außer Landes zu tragen,
Erzvorkommen als Grundlage der Eisengewinnung, Haubergswirtschaft zur Gewinnung der Holzkohle, mit zusätzlichem Ackerbau und zeitweiser Viehweidemöglichkeit, Wasser als Energie der Blasebälge und Bewässerung der für die Versorgung der Fahrkühe so wichtigen und hochentwickelten Wiesenwirtschaft, dazu das Fischereiwesen, haben zusammen mit der Hüttenindustrie eine innige Verbindung geschaffen, wie wir sie nirgendwo sonst finden. Nicht zuletzt gehört dazu ein Völkchen fleißiger, zuverlässiger Menschen, wie es an Sieg und Heller lebt.
Anfang des 19. Jahrhunderts beginnt für die Eisenindustrie die entscheidende technische Weiterentwicklung. 1824 sind die Versuche Geheimrat Karsten mit Kalksteinzuschlägen erfolgreich. 1830 liegt der Ofeninhalt bereits bei 25m³. 1850 wird im Siegerland das erste Dampfgebläse aufgestellt, 1886 beginnt mit der Eröffnung der Bahnstrecke die Koksverhüttung.
1912 wird erstmals in der Geschichte des Roheisens im Vertrag des Roheisenverbandes der Begriff „kalterblasenes Siegerländer Spezialroheisen“ festgelegt. Er bezieht sich nur auf das von der Niederdreisbacher, Grünebacher, Alten Herdorfer- und Birlenbacher Hütte erzeugte Spezialroheisen. 1934 geht die Grünebacher Hütte in den Besitz der Niederdreisbacher Hütte über. Sie gehört damit zur Firmengruppe Possehl in Lübeck. Sie bleibt eine Gewerkschaft und es soll in späteren Jahren noch einmal sehr schwierig werden, die im Grundbuch statt im Handelsregister eingetragene Gewerkschaft aufzulösen, weil keine Behörde für eine solche Gesellschaftsform zuständig ist.
Aus den 72 Hüttentagen waren längst 365 Arbeitstage im Jahr geworden. Der Arbeitstag um 1912 aus zwei Schichten mit je 12 Stunden und sonntags einer Wechselschicht aus 24 Stunden bestehend. Nur etwa alle sieben Jahre kam es durch eine Neuzustellung des Hochofenmauerwerks zu einem Stillstand.
Der Produktionssteigerung nach dem zweiten Weltkrieg folgen durch veränderte Verbrauchergewohnheiten bei den Gießereien und durch Abschaffung von Sondertarifen für Koks und Erz bei den Siegerländer Hütten sorgenvolle Jahre des Absatzrückgangs. Immer mehr Hochöfen und Gruben werden stillgelegt. Das Siegerland erlebt den Niedergang einer ganzen Industrie und einen Strukturwandel ohne Beispiel.
Hier hilft nur noch ein vollständiger Produktionswechsel. Das Ausblasen und Stilllegen des Hochofens in Grünebach am 12. Juli 1963 war endgültig. Eine alte Firma mit traditionsreicher Vergangenheit eberlebte als junges Unternehmen mit neuer markt- und zukunftsorientierter Produktion und dem Einsatz seiner Mitarbeiter. Geblieben war der Einsatz heimischer Bodenschätze, statt Erz Basalt, und die Produktion von Spezialitäten, statt Spezialroheisen Spezial- Betonteile.
Welcher Hüttenmann könnte seine Hüttenzeit vergessen? Schon der Großvater, der Vater und auch der Sohn gingen dem schweren Beruf des Hüttenmannes nach. Ist es ein Scherz, wenn sie sagen, dass sie heute wieder in die Gießhalle, auf die Gicht, an die Kessel und in die Möllerung zurückkämen, wenn der Ofen wieder angeblasen würde? Sicher meinen sie das auch so.
Die Grünebacher Hütte wurde durch Bescheid der Kreisverwaltung Altenkirchen vom 29.4.1983 unter Denkmalschutz gestellt.